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Vereinbarkeit - Das Wichtigste zuerst

31. August 2023

In meinen Beratungen und Coachings werde ich Zeugin davon, dass viele Mütter ihre Belastung im Job gar nicht äußern. Sie ärgern sich im Stillen. Sie schlucken tapfer, gekränkt oder enttäuscht alles runter, was sich schlecht anfühlt. Sie bemühen sich, freundlich zu sein und nicht unangenehm aufzufallen.  Und irgendwann sind sie weg…

Entweder haben sie innerlich gekündigt und schleppen sich nur noch frustriert und unter größtem Kraftaufwand zur Arbeit. Sie riskieren dabei ihre körperliche und psychische Gesundheit. Vielleicht erleiden sie einen Burnout, geraten in eine Sinnkrise oder haben Stress mit dem Partner oder den Kindern. Andere suchen nach einer neuen Position, wo sich, wenn sie an ihrem Denkmuster und den Kommunikationsgewohnheiten nichts grundlegend ändern, leider die Dinge nur allzu leicht wiederholen…

Die wichtigste Person

Damit wir uns nicht missverstehen: Für eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es unabdingbar, dass die Systeme, in denen wir uns bewegen, dafür aufgestellt sind. Ohne personell gut ausgestattete Einrichtungen der Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und dynamische Organisationsstrukturen in der Arbeitswelt geht es nicht. Selbstverständlich brauchen Eltern auch die entsprechende finanzielle Basis, um sich Betreuung, Mobilität und Arbeitserleichterungen (in Form von Babysitter, Spülmaschine, Ferienprogramm, Pizzabringdienst etc. pp) leisten zu können. Wenn die Betreuung und das ganze Drumherum mehr Geld kosten als Eltern im Monat erwirtschaften können, bleiben alle Vorstellungen darüber, wie Vereinbarkeit gelingen kann, pure Theorie.

Doch das Allerwichtigste fehlt in der Aufzählung. Damit Vereinbarkeit für Dich und Deine Familie gelingt, geht es nicht ohne den Support der einen, der allerwichtigsten Person –  es geht nicht ohne DICH! Denn Vereinbarkeit ist ein Weg der kleinen Schritte, und der erste und wichtigste Schritt ist immer der, den DU als nächstes gehst.

Wie geht Vereinbarkeit?

Ich arbeite seit dem Jahr 2010 als Coach und habe mich nach meiner Elternzeit auf die Begleitung von Müttern spezialisiert. Ich habe mit Personalverantwortlichen gearbeitet, mit Schwangeren, mit Frauen in der Elternzeit, mit Müttern, die ihre Karriere bewusst an den Nagel gehängt haben und mit solchen, die erst nach der Geburt beruflich richtig durchgestartet sind. In einem Satz: Ich kenne das Thema der Vereinbarkeit aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln.

Wenn Du kurz davorstehst, Deinen Job zu kündigen oder Deine Beziehung zu beenden, um der belastenden Situation ein Ende zu machen, möchte ich Dir zurufen: Stopp! Warte noch einen Moment! Unter Druck neigen wir zu Kurzschlussreaktionen, die wir dann im Nachgang leider (meistens 😉 ) bereuen.

Mein Tipp: Bevor Du eine endgültige Entscheidung triffst, ist es klüger, innerlich auf die Pausentaste zu drücken. Eine Bestandsaufnahme zu machen. Zu schauen, was genau das grundlegende Thema ist, das Dir diese unangenehmen Gefühle bereitet. Es ist nützlich, die Hürde, die zwischen Dir und der gelungenen Vereinbarkeit steht, genau zu kennen. Je mehr Du über sie weißt, umso leichter kannst Du sie überwinden. Oder Du findest sogar einen bequemen Weg um die Hürde herum, der Dich weniger Energie und Kraft kostet. Wie klingt das für Dich?


Viermal Vereinbarkeits-Tipps für Dich

Wenn eine gute Freundin von Dir eine schwierige Herausforderung bewältigen muss, bist Du vermutlich an ihrer Seite und bestärkst sie. Wie gefällt Dir die Idee, Dir selbst wie eine gute Freundin zur Seite zu stehen, wenn Du Deine Vereinbarkeitsfrage klärst? Um Dich dabei zusätzlich zu unterstützen, habe ich die „Vier V der Vereinbarkeit“ für Dich geschrieben.

Wenn Du die „Vier V“ beim Lesen auf Dich wirken lässt, achte unbedingt darauf, bei welchem der genannten Punkte Du so etwas wie einen inneren Widerstand in Dir spürst. Einen aufkommenden Ärger vielleicht. Oder Gedanken wie „Die hat gut reden, die Britt! Die weiß gar nicht, wie es bei mir aussieht. Für mich passt das ja gar nicht!“

Natürlich hast Du Recht. Ich kenne Dich nicht persönlich, und es steht mir nicht zu, über Dich und Deine Situation zu urteilen. Das möchte ich auch gar nicht! Mir geht es darum, Dich zu ermutigen, genau hinzuschauen. Bei welchen Sätzen bleibst Du innerlich ruhig, und welche Sätze bereiten Dir Bauchschmerzen?

Starke Gefühle sind meist ein Hinweis darauf, dass etwas in Dir aktiviert wird, was tiefer geht. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was da in Dir passiert. Denn die inneren Widerstände sind Chancen, etwas für Dich so zu ändern, dass Du auf lange Sicht zufriedener bist. Mit Deiner Vereinbarkeit und mit Dir selbst.

Und jetzt: Viel Freude beim Entdecken des ersten „V der Vereinbarkeit“!

Deine Britt

Das erste V der Vereinbarkeit:
V wie Verantwortung

Ist dieser Punkt ein Thema für Dich? Mach den Test und schau mal, wie viele der folgenden Seufz-Sätze von Dir sein könnten:

  • „Eltern haben es sowieso schwerer im Job!“
  • „Mein*e Vorgesetzte*r mag keine Mütter!“
  • „Hier nimmt ja niemand Rücksicht auf mich und meine Situation als berufstätige Mutter. Sollen die mal sehen, was sie davon haben! Ich mache jetzt nur noch Dienst nach Vorschrift.“
  • „Mein*e Partner*in unterstützt mich nicht. Ich wüsste nicht, warum ich nun auf ihn/sie zugehen sollte. Er/sie soll ruhig merken, dass mir sein/ihr Verhalten nicht passt.“
  • „Wenn mein Mann/meine Frau verständnisvoller/hilfsbereiter/weniger egoistisch/aktiver/ engagierter… wäre, dann wäre mein Alltag mit Job und Kind viel leichter!“
  • „Ich muss alles alleine machen!“
  • „Da verlass ich mich einmal auf die Anderen, und schon geht es schief!

Na, kommt Dir da etwas bekannt vor?
Und hast Du das Muster erkannt, dass diese Sätze gemeinsam haben?

Der Fokus liegt bei allen Aussagen auf dem Verhalten der Anderen. Es geht darum, was da im Außen nicht passt, was Chef*innen, Partner*innen nicht zu verstehen bzw. zu geben bereit oder in der Lage sind. Der eigene Frust wird eher „verdeckt“ kommuniziert, in Form von Anklagen oder schweigendem Rückzug. Kann man natürlich so machen. Die Frage ist: Wem bringt das was?

Auf den ersten Blick mag es einfacher scheinen, wenn Du Deine*n Vorgesetzte*n, Deine*n Partner*in oder auch höhere Mächte (die Wirtschaftskrise, den demographischen Wandel, das Schicksal) für Deine Schwierigkeiten verantwortlich machst. Das Ungemütliche daran: Wenn Du ausschließlich auf die Anderen setzt und außer Jammern und Klagen nichts tust, darfst Du nicht erwarten, dass sich etwas zum Positiven ändert. Wahrscheinlicher ist, dass Du nicht das bekommst, was Du Dir wünschst. Deine (unterschwellige oder deutlich spürbare) Vorwurfshaltung belastet das Gesprächsklima, sie provoziert Widerstand und schürt Konflikte. Keine gute Voraussetzung für die Erreichung Deiner Ziele.

Das erste V der Vereinbarkeit klingelt wie Dein Wecker am Morgen. Es möchte Dich aus Deiner Passivität holen und Dich dazu ermuntern, für Dich selbst einzutreten. Übernimm Verantwortung für Dich, indem Du Deine Bedürfnisse und Wünsche formulierst Das geht auch ohne Anklage, in einer klaren und zugleich freundlich-bestimmten Art und Weise. Je selbstverständlicher Du benennst, was Du willst, umso größer die Chance, dass Du es auch bekommst. Klingt doch gut, oder?

Sprich Klartext - so geht´s!

Um wirkungsvoll und souverän aufzutreten, kannst Du Dir eine Liste mit Stichworten machen. Diese Fragen können Dein Roter Faden sein:

  • Was genau wünschst Du Dir?
  • Was stört Dich?
  • Was brauchst Du, um effektiv, konzentriert und zufrieden arbeiten zu können?
  • Was brauchst Du, um gut für Dein Kind da sein zu können?
  • Was kann Dein Gegenüber konkret tun?

Übe Dich in kleinen Schritten: Sprich Deine Wünsche an, wenn für Dich nicht so viel auf dem Spiel steht. Vielleicht kann das eine Situation im Supermarkt sein, im Gespräch mit einer Dir fremden Person oder mit jemandem, den Du besonders gern hast (was sich für Dich persönlich leichter anfühlt, legst Du selbst fest!). Es ist auf jeden Fall nützlich, die Hindernisse nach Deinen Möglichkeiten auszuwählen. Fange klein an und steigere das Level von Mal zu Mal. So wirst Du Schritt für Schritt souveräner und kannst Selbstvertrauen gewinnen. Und das brauchst Du, wenn Du die Verantwortung für Dich in Deine Hände nimmst.

Mein BonusTipp für Dich

Wenn ein wichtiges Gespräch ansteht, kannst Du einen „Trockenlauf“ im Rollenspiel, zum Beispiel mit einer anderen Mama, proben. Mit einer lustigen Instruktion macht das garantiert Spaß und kitzelt außerdem Eure Kreativität wach (eine ähnliche Übung machen wir übrigens in der „Wenn Mama arbeitet“-Gruppe!).

Eine Frage, die garantiert neue Perspektiven ermöglicht: Wie müsstest Du Dich im Gespräch verhalten, damit es auf jeden Fall schief geht?